Welches Potential kann Elektromobilität entfalten? 

Anfang des Jahres 2020 waren in Deutschland knapp 48 Millionen Personenkraftwagen zugelassen. Rund 136.000 davon waren reine Elektro-Autos ohne Verbrennungsmotor. Nur zehn Monate später, am 31. Oktober 2020, betrug die Zahl der in Deutschland zugelassenen Elektro-Autos schon 291.000. Vordergründig basiert diese rasante Entwicklung auf dem umfangreichen Förderangebot von Bund, Ländern und Industrie, durch das die Verkehrswende beschleunigt werden soll. Immerhin fördert Deutschland mit dem Umweltbonus, dem Corona-Konjunkturpaket und dem reduzierten Mehrwertsteuersatz den Absatz von E-Autos so stark wie kaum ein anderes EU-Land. Der bei Weitem stärkste E-Mobility-Treiber aber ist der digitale Wandel: Die zunehmende digitale Vernetzung verbindet Verkehrsteilnehmer, Fahrzeuge und Verkehrsinfrastruktur in einer Weise miteinander, wie sie noch vor ein paar Jahren undenkbar war. Das hebt die Einschränkungen, die die E-Mobilität gegenüber der fossilen Mobilität noch hat – geringere Reichweite, längere Betankungs- bzw. Ladezeit – nahezu vollständig auf. Die Vorteile der E-Mobilität, wie Emissionsfreiheit, Konnektivität und Automatisierbarkeit bis hin zum autonomen Fahren, kommen dafür umso stärker zur Geltung.

Digitaltechnik macht Menschen multimodal mobil – und hebt Batterietechnik-Nachteile auf

Digitaltechnologie ermöglicht die Etablierung einer gänzlich neuen Mobilitätsstruktur. In dieser spielt das Auto zwar weiterhin eine zentrale Rolle, es ist darin aber nicht mehr dominant. Stattdessen ist es Teil eines datenbasierten „Verkehrsökosystems“, das von intermodaler Fortbewegung geprägt ist. Autos, öffentliche Verkehrsmittel und Mikroverkehrsmittel wie E-Roller und E-Scooter verschmelzen im Digitalzeitalter zu einer Transportmatrix, in der für jedes Transfer-Anliegen diejenige Verkehrsmittelkombination gewählt werden kann, die im Hinblick auf Zeit- und Ressourcenverbrauch am effizientesten ist. Da spielt es keine Rolle, dass das Elektroauto keine allzu große Reichweite hat. Dank einer Vielzahl von Alternativen – wie Sharing-Pkw, Mietfahrrad, E-Roller –, die ersatzweise oder ergänzend genutzt werden können, sind E-Auto-Nutzer trotzdem jederzeit mobil. Wer etwa mit dem E-Auto zur Arbeit pendelt, kann sein Fahrzeug am Stadtrand in einem vernetzten Parkhaus mit Lademöglichkeit abstellen und die „letzte Meile“ zum Büro in der Innenstadt mit einem E-Scooter zurücklegen. Er kommt dann problemlos auch mit einer geringen E-Auto-Reichweite aus. Stellt sein Arbeitgeber ladefähige Mitarbeiterparkplätze zur Verfügung, wird es für ihn noch komfortabler, denn dann kann er ohne Verkehrsmittelbruch bis zu seinem Arbeitsplatz fahren. Die Parkplatz- und Ladepunktreservierung erledigt er über eine App.

Keine Zukunftsmusik, sondern Realität

Das alles ist keine Zukunftsmusik, sondern Realität. Im Herbst 2020 eröffnete in Köln das erste „Mobility Hub“ – ein smartes Parkhaus, das Autofahrern (und anderen Verkehrsteilnehmern) Stellplätze, E-Ladestationen, Car-Sharing-Angebote und E-Ladestationen bietet. Für Radfahrer gibt es darin außerdem Spinde und einen Reparaturservice auf Abruf. Das Mobility-Hub-Parkhaus kommt ohne Schranken und Ticketautomaten aus, die Nutzer werden bei der Einfahrt per Kamera anhand ihres Kfz-Kennzeichens registriert. Kurzparker bezahlen fürs Parken und Laden mit ihrer Kreditkarte oder mit ihrem Smartphone, Dauerparker erhalten eine monatliche Abrechnung über die Servicegesellschaft KairosBlue. Büromieter und Eventveranstalter können ihre Gäste online für kostenloses Parken in einem vordefinierten Zeitrahmen registrieren. Für Corporate Parking, also für das Parken auf Firmenparkplätzen, gibt es dieses Konzept schon viel länger. Dienste wie ParkHere ermöglichen seit Jahren das Reservieren von Parkplätzen und Ladepunkten einschließlich des Bezahlvorgangs über eine Software in Kombination mit einer App.

Das Kfz muss also „neu gedacht“ werden. Es wird vom reinen Fortbewegungsmittel zum „device on wheels“, analog zu anderen technischen Geräten wie Smartphone und Smartwatch. Indem ein Echtzeit-Datenaustausch zwischen Verkehrsteilnehmern, Fahrzeugen und Verkehrsinfrastruktur möglich gemacht wurde, wurde die nächste Stufe der Mobilität erreicht: die Implementierung eines Systems, das Verkehrsplanung mit dem reibungslosen Übergang von einem Transportmittel zum anderen verknüpft.

E-Mobility kommt mit Macht – dank EU-Gesetzgebung

Die Basis dafür ist Elektromobilität. Dass diese die fossile Mobilität schon bald ablösen wird, steht außer Frage; dafür sorgt allein schon die aktuelle EU-Gesetzgebung im Hinblick auf CO2-Beschränkungen. Wollen die Automobilhersteller Zahlungsverpflichtungen in Milliardenhöhe vermeiden, so müssen sie ihre Produktion massiv in Richtung E-Mobility transformieren – anderenfalls haben mehr als die Hälfte aller europäischen Autohersteller in den kommenden Jahren (2021–2026) empfindliche Strafen zu erwarten. Kein Wunder, dass die Entwicklung elektrifizierter Modelle in der Industrie mit Macht vorangetrieben wird: Allein der Volkswagen-Konzern will in den nächsten fünf Jahren 35 Milliarden Euro in neue E-Autos und in die Umrüstung von Werken investieren. Das sind zwei Milliarden Euro mehr, als in der bisherigen Planung bis zum Jahr 2024 vorgesehen waren. Die zum VW-Konzern gehörige Luxusmarke Bentley, die aktuell noch gar kein vollelektrisches Modell hat, soll ab 2026 ausschließlich Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge und Elektromodelle anbieten. Ab 2030 soll Bentley dann überhaupt keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr produzieren.

Deutschland ist E-Auto-Europameister

Immerhin wächst die Nachfrage nach E-Autos ebenso stark wie das Angebot. Aufgrund staatlicher Kaufprämien in vielen europäischen Ländern, die die Nachfrage nach elektrifizierten Autos ankurbeln, ist der E-Auto-Absatz europaweit stark angestiegen – er erhöhte sich 2020 um 600.000 Fahrzeuge. Damit hat er sich im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt. Europa hat dadurch sogar den chinesischen Automarkt in Sachen Elektromobilität überholt. Den amerikanischen Automarkt hatte Europa längst überflügelt: Diesseits des Atlantik fahren rund 60 Prozent mehr Elektro-Pkw auf den Straßen als in den USA. Verantwortlich dafür ist laut dem VDA vor allem Deutschland, denn von hier kommen mit Abstand die meisten E-Fahrzeuge. Die deutschen Autohersteller sind auf dem europäischen Markt führend und konnten ihren Marktanteil 2020 noch ausbauen. In Norwegen zum Beispiel, wo der Anteil von E-Autos an allen Neuwagenverkäufen in den ersten acht Monaten des Jahres 2020 knapp 70 Prozent betrug, stammt jedes zweite Elektroauto aus deutscher Produktion. Insgesamt kommen von den rund 70 Pkw-Modellen, die in Europa erhältlich sind, 60 von deutschen Herstellern. Damit ist Deutschland Europameister im Hinblick auf Elektromobilität.5

Ausblick bis 2030

Innerhalb der nächsten zehn Jahre wird sich die Mobilität in Deutschland – insbesondere die Auto-Mobilität – grundlegend verändern. Zum einen greifen dann technische Neuerungen, etwa in der Batterieentwicklung: Die Feststoffbatterie, die Reichweiten von bis zu 1.000 km mit einer Ladung ermöglicht, steht kurz vor der Marktreife; Toyota hatte die kommerzielle Vorstellung bereits für die (ausgefallenen) Olympischen Spiele 2020 angekündigt. Zum anderen wird der Gebrauchtwagen-Handel mit Elektroautos Fahrt aufnehmen und für eine noch schnellere E-Auto-Verbreitung sorgen. Bisher beträgt der Elektroauto-Anteil am Gebrauchtwagenmarkt laut mobile.de nur rund 0,4 Prozent, er wird in den nächsten Jahren aber deutlich steigen, da stetig mehr neue Elektroautos verkauft werden. Batterieanalytik-Softwaresysteme, wie sie zum Beispiel von dem Startup Twaice angeboten werden, tragen dabei zum Restwerterhalt von E-Autos bei. Aufgrund der wirtschaftlichen Verwerfungen, die der COVID19-Ausbruch ausgelöst hat, wird sich der Hochlauf der E-Mobilität zwar etwas verzögern, aber nur um wenige Jahre. Laut dem Wirtschaftsberatungsunternehmen Deloitte wird der Wendepunkt, ab dem über 50 Prozent aller neu zugelassenen Autos in Deutschland einen Elektroantrieb haben, etwa 2032 erreicht sein. Vor COVID19 hatte man mit 2030 gerechnet.

Fazit

Die Elektromobilität steht längst nicht mehr am Anfang ihrer Entwicklung – sie ist schon weit fortgeschritten. Der digitale Wandel und eine an der Klimarettung ausgerichtete europäische Gesetzeslage treiben sie immer schneller voran. Elektromobilität wird in Carsharing-Konzepte, in multimodale Transport-Services und in kombinierte Park-und-Lade-Strukturen eingebunden; sie ermöglicht zudem eine völlig vernetzte Fortbewegung, bei der intelligente Assistenzsysteme hohe Automatisierungsgrade bis hin zum autonomen Fahren ermöglichen. Die Elektromobilität ihrerseits wiederum beschleunigt auch den digitalen Wandel: Da sich bei E-Autos die Leistungsdaten aufgrund einheitlicher Batterietechnik zunehmend angleichen, verringern sich die Möglichkeiten der Hersteller zur Differenzierung ihrer Fahrzeuge im Markt. Statt auf Leistungsmerkmale oder Markenimage werden die Hersteller deshalb künftig mehr auf leistungsfähige plattformbasierte Mobilitätsangebote – und damit auf  eine Digitalisierung der Mobilität – setzen. In jedem Fall ist abzusehen, dass Elektromobilität mittelfristig die fossil angetriebene Mobilität verdrängen bzw. ablösen wird. Unternehmen und Endverbraucher tun gut daran, sich beizeiten darauf einzustellen.

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